Integration

Das Thema Integration hat einen neuen Stellenwert bekommen, seitdem nahezu alle gesellschaftlichen Kräfte in Deutschland von der Tatsache ausgehen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Für die Gewerkschaften ist die gleichberechtigte Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen Ziel der Integration.

Integration gehört sicher zu den Begriffen, die für Sonntagsreden besonders geeignet sind. Alle sind dafür und jeder meint etwas anderes. Das, worum es tatsächlich geht, macht die Herkunft des Begriffs plastisch. Integrare heißt im Lateinischen: zu einem Ganzen zusammen fügen.

Das schließt zunächst einmal die Vermutung aus, MigrantInnen hätten sich so anzupassen, dass sie von Deutschen nicht mehr zu unterscheiden sind, sich also zu assimilieren. Im Übrigen müssen sich auch die Deutschen zu einem Ganzen zusammen fügen, ohne dabei ihre regional-kulturelle Prägung oder ihre Religion oder auch Abstinenz von Religion abgeben zu müssen. Die Zeiten, in denen die Untertanen der Religion des Herrschers angehören müssen (cuius regio eius religio) gehören glücklicher Weise längst der Vergangenheit an.

Grundlage von Integration ist eine gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft. Einen Endpunkt von Integration gibt es nicht. Sie ist vielmehr ein Prozess, bei dem beide Seiten gefordert sind. Aus Sicht der MigrantInnen umfasst Integration zunächst ein­mal die Bereitschaft, ihren Teil zur Entwicklung des Landes und der Gesell­schaft beizutragen und im Gegenzug die Rechte nutzen zu können, die Staat und Gesellschaft bieten. Das schließt die Anerkennung der im Grundgesetz festgelegten Grund- und Menschenrechte ein. Diese Kombination von Pflichten und Rechten schafft eine Verbundenheit zur Gesellschaft. Aus Sicht der deutschen Gesellschaft bedeutet Integration Sicherung eines friedli­chen Zusammenlebens durch eine immer wieder neu herzustellende Kultur der Akzeptanz, die es den MigrantInnen ermöglicht, unter Beibehaltung ihrer ethnischen, kulturellen und religiösen Identität ihren Lebensmittelpunkt in dieser Gesellschaft zu finden und zu sichern. Wenn gleichzeitig Mechanismen geschaffen werden, die eine friedliche Lösung mög­licher Konflikte sicherstellen, fügt sich alles zu einem Ganzen zusammen.

Diese Umschreibung bewegt sich natürlich auf einer sehr abstrakten Ebene. Türkische Jugendliche, die in Deutschland geboren wurden, haben andere Probleme als AussiedlerInnen aus Osteuropa, die automatisch deutsche StaatsbürgerInnen werden. Und die wiederum andere als die angeworbenen ArbeitnehmerInnen, die heute in Deutschland als RentnerInnen leben. Das heißt: Es muss immer auf die spezifischen Bedürfnisse der jeweiligen Menschen reagiert werden.

Gleichwohl gibt es Handlungsansätze, die alle oder nahezu alle Gruppen betreffen. Eine zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration ist aus Sicht des DGB Beschäftigung. Um hier erfolgreich zu sein, müssen umfassende Weiterbildungsangebote gemacht und Anreize geschaffen werden, diese auch zu nutzen. Das gleiche gilt für Sprachkompetenzen. Gerade diese sind ein wichtiges Mittel für Migrantinnen und Migranten, potenzielle oder reale Ausgrenzung aktiv überwinden zu können. Andersherum muss die Gesellschaft dafür Sorge tragen, dass eine strukturelle Diskriminierung verhindert wird. Das bezieht sich gleichermaßen auf Benachteiligungen im Rechtssystem wie auf verdeckte Ungleichbehandlung im Alltag. Ein weiterer Punkt, der alle Gruppen von MigrantInnen betrifft: Die Möglichkeit einer Partizipation der MigrantInnen an der gesellschaftlichen und politischen Willensbildung ist ein wichtiger Hebel, die Identifikation mit der Gesellschaft, in der sie leben, zu befördern. So nämlich entsteht das Bewusstsein, aktiv eingreifen zu können und nicht nur Objekt von Entscheidungen anderer zu sein.